Bald ist wieder Theaterzeit in der Turnhalle Mitteldorf, denn auch in diesem Jahr stehen wieder drei Premieren des Theatervereins Spielfreu(n)de Erzgebirge e.V. an. Grund genug, um mit dem Vorsitzenden des Vereins zu sprechen: dem Theaterpädagogen Michael Ö. Arnold

Wie bist Du zum Kindertheater gekommen, und was hat Dich an dieser Arbeit von Beginn an fasziniert?
Es muss wohl 1991 gewesen sein, dass mich mein Freund und Mentor Stephan Müller, der Leiter des Kinder- & Jugendtheaters im Kulturhaus „Hans Marchwitza“ (heute die Stadthalle) in Oelsnitz/Erz. gefragt hat, ob ich nicht bei ihm als Sprecherzieher anfangen möchte. Diese Ausbildung hatte ich noch zu DDR-Zeiten beim Bezirkskabinett für Kulturarbeit in Karl-Marx-Stadt gemacht. Natürlich interessierte mich das und so begann ich meine Arbeit für dieses Theater, welches schon in der DDR eine lange Tradition hatte. Es wurde schon 1962 gegründet. Später begann ich dann eigene Stücke für dieses Theater zu schreiben und zu inszenieren. Da begann ich meine Ausbildung zum Theaterpädagogen.
Gab es einen Schlüsselmoment in Deiner Laufbahn, der Dich besonders geprägt hat?
Einen Schlüsselmoment vielleicht nicht, aber die Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen macht mir viel Spaß und den jungen Leuten vielleicht auch. Wichtig ist für mich, nicht als Lehrer oder Dozent aufzutreten, sondern ihnen auf Augenhöhe zu begegnen. Da ich mitunter zu Humor neige, kann ich mein Wissen immer wieder auf lustige Art vermitteln.
Was unterscheidet die theaterpädagogische Arbeit mit Kindern von der mit Erwachsenen?
Ich glaube da gibt es keinen Unterschied. Ob Kinder, Erwachsene oder Senioren auf der Bühne stehen – sie werden alle wieder wie Kinder. Theaterleute neigen dazu, das Kind in sich zu bewahren. Deshalb geht es manchmal auch zu wie im Kindergarten, wenn ich mit Erwachsenen arbeite. Und das ist auch gut so!
Welche positiven Effekte beobachtest Du bei Kindern, die über längere Zeit am Theater mitwirken?
Da kann ich ein gutes Beispiel nennen. Vor einigen Jahren kam ein Kind zu mir in die Gruppe, welches sehr gehemmt war. Seine Mutter wollte aber, dass das Kind auf die Bühne geht, um diese Hemmungen abzubauen. Ich hatte das große Vergnügen, viele Jahre mit diesem Kind zu arbeiten und es auf der Bühne aufzubauen. Im ersten Stück hatte das damalige Kind nur einen Satz und step bei step kamen im Laufe der Jahre immer mehr Sätze dazu. Am Ende spielte sich dieser inzwischen junge Mann so frei, dass er die Schauspielerei studierte und inzwischen ein Schauspieler und Musiker ist.

Gibt es bestimmte Fähigkeiten oder Kompetenzen, die Kinder durch das Theaterspielen besonders gut entwickeln können?
Sollte es auch ein bisschen profan klingen, aber wir möchten, dass unsere Kinder und Jugendlichen ein bisschen was für ihr Leben mitnehmen. Wichtig ist, dass sie Teamfähigkeit lernen und ihre eigenen Befindlichkeiten nicht über den Dienst an der Gruppe stellen. Natürlich haben viele unserer DarstellerInnen ein ausgeprägtes Ego. Und das soll auch so, aber das darf natürlich nicht im Vordergrund stehen und sollte sich in die Gruppe einbringen. Viele unserer jungen Mimen nutzen ihre, bei uns erlernten Fähigkeiten, in der Schule bei Vorträgen, Präsentationen oder einfach nur beim Gedicht ansagen. Selbstbewusstsein ist da ein ganz wichtiger Faktor. Wenn sich jemand traut, auf der Bühne zu stehen und vor vielen Leuten zu spielen, der traut sich auch, im späteren Leben seine Meinung zu sagen und für sich einzustehen. Das ist es, was wir neben dem Theaterspiel vermitteln möchten.
Wie gehst Du beim Schreiben oder Auswählen von Stücken für Kinder vor – was ist Dir dabei besonders wichtig?
Meine liebste Arbeitsweise ist, dass ich die Stücke mit den Kindern und Jugendlichen gemeinsam entwickle, aber das ist natürlich eine Frage der Zeit. In diesem Jahr hatten wir das große Glück, dass wir zwei Theaterstücke „HÄNSEL und GRETEL“ von Kay Haberkorn, einem langjährigen Theaterfreund von mir und „DIE SALZPRINZESSIN“ von Thomas Beier vom „Theatre LIBRE“ Sebnitz, geschenkt bekommen haben. Da kann man ja nicht nein sagen. Für die kleine Gruppe schreibe ich das Stück, weil die DarstellerInnen noch sehr jung sind und erst an die Arbeit auf der Bühne vorbereitet werden müssen. Aber, wie gesagt, am liebsten erarbeite ich mit den jungen Leuten das Stück selbst. Jeder darf seine Ideen einbringen und am Ende kommt für alles etwas dabei raus, auf dass alle stolz sein können.
Was erwartet die Besucher bei den kommenden Premieren der Spielfreunde Erzgebirge in Mitteldorf? Kannst Du uns schon einen kleinen Ausblick geben?
Ja natürlich, In Spielsaison 2025 – 2026 stellen wir unserem Publikum unsere neuen Theaterproduktionen „HÄNSEL und GRETEL“ von unserer mittleren Gruppe vor. Die „kleine“ Gruppe, klein bedeutet in diesem Falle nicht „klein“ als solches, sondern, dass das Stück nur kleiner ist, so dass man es auch in Kindereinrichtungen spielen kann und dass die DarstellerInnen noch sehr jung sind und sozusagen in der Grundausbildung sind. Sie stellen „DAS WALDHAUS“ vor. Die große Gruppe, welche schon einige Zeit auf der Bühne steht, zeigt in dieser Spielsaison „DIE SALZPRINZESSIN“. Die DarstellerInnen unserer neu gegründeten Jugendgruppe, welche dem Märchen schon entwachsen sind, hat sich dem Krimi verschrieben. Dazu kann ich aber nicht viel sagen, denn sie hält sich da sehr bedeckt. Und das soll auch so, sie arbeiten selbständig und kommen nur auf mich zu, wenn es dramaturgische Fragen gibt. Da möchte ich schon gern helfen, aber sie sollen auch lernen, sich selbst zu organisieren, selbst zu inszenieren und am Ende ein eigenes Stück auf die Bühne bringen. Und da ist ja auch noch unsere „Feuer- & Licht-Show“, mit dieser treten wir das ganze Jahr auf und sie ist nicht auf eine Spielsaison angewiesen. Damit gehen wir auch gern auf Gastspielreise oder werden zu Festivals gebucht.

Wie erleben die Kinder selbst den Moment auf der Bühne – vor Publikum zu stehen, Applaus zu bekommen?
Ich glaube, dass ich die Frage nicht beantworten kann. Da sollte man durchaus die Kinder und Jugendlichen befragen. Aber es gibt eine Übung, welche ich mit den DarstellerInnen mache, dass sie das Finale bewusst erleben. Dass sie den Applaus bewusst aufnehmen. Denn wie heißt es doch so schön: „Der Applaus ist das Brot des Künstlers“. Unsere DarstellerInnen sollen sich für eine gelungene Vorstellung auch richtig feiern lassen. Das haben sie sich verdient.
Kannst Du uns von einem besonders bewegenden oder prägenden Moment aus Deiner langjährigen Arbeit mit Kindern erzählen?
Ach, da gibt es so viele. Ich hatte das große Vergnügen einige von meinen DarstellerInnen auf die Schauspielschule vorzubereiten und freue mich jetzt, wenn ich sehe was aus ihnen geworden ist. Seien es SchauspielerInnen oder Theaterpädagogen, welche an den verschiedensten Theatern in Deutschland arbeiten oder vielleicht sogar im Fernsehen zu sehen sind. Das macht mich schon ein bisschen stolz. Aber es gab auch Eltern, welche sich bei mir bedankten, dass ihre Sprösslinge in den Bewerbungsgesprächen so selbstsicher waren, dass sie die Ausbildung bekommen haben. Das mag vielleicht ein bisschen eitel klingen, aber das hat mit Eitelkeit nichts zu tun. Ich möchte einfach nur meinen Job gut machen und diese Erfolge bestätigen mir, dass ich doch einiges richtig gemacht habe.
Hat sich die Arbeit im Kindertheater in den letzten Jahren verändert – etwa durch Digitalisierung, gesellschaftliche Themen oder Entwicklungen?
Als ich beim Kinder- & Jugendtheater angefangen habe, war die Bühne vollgestellt mit Requisiten und vielem unwichtigen Gedöns. Aber es gibt einen wichtigen Ansatz für die SpielleiterInnen. Was nicht gebraucht wird, hat auf der Bühne nichts verloren. Und das ist auch ganz wichtig. Für mich stehen inzwischen die SchauspielerInnen im Vordergrund. Sie sind auf der Bühne der wichtigste Aspekt. Wenn sie etwas für ihre Rolle benötigen, sollen sie es ins Spiel einbringen und ihr Spiel unterstützen. Alles andere lenkt nur von ihrem Auftritt ab.
Leider hat KI auch schon im Theater Einzug gehalten und viele Theaterleute lassen sich ihre Stücke von dieser künstlichen Intelligenz schreiben. Aber ich gebe zu bedenken, dass KI keine Gefühle hat, und ein Theaterstück lebt von der Substanz, von Humor, von Tiefgrund. Ich persönlich lehne das ab und so lange ich Theater mache, werde ich unsere Stücke entweder mit den Kindern und Jugendlichen entwickeln oder mich in mein Kämmerlein zurückziehen und es selber schreiben. Auch wenn es vielleicht eingebildet klingt, wenn jemand sagt: „Das ist ein Örni-Stück“, aber mich ehrt das sehr, denn es trägt meine Handschrift. Und das will ich auch so. Das hat nichts mit meinem Ego zu tun, Theater hat viel mit dem Herzen zu tun und künstliche Intelligenz hat kein Herz.
Natürlich arbeite ich auch gern zu gesellschaftlichen Themen. Aber dazu nutze ich meine Arbeit an den verschiedenen Schulen, an welchen ich im GTA-Bereich arbeite. Die SPIELFREUnDE sollen wie der Schuster bei seinen Leisten bleiben und das sind vorwiegend Märchen.

Blick nach vorn: Wie siehst Du die Zukunft Eures Theatervereins? Welche Visionen oder Projekte möchtet Ihr noch verwirklichen?
Da wir alle ehrenamtlich arbeiten, sind wir derzeit schon am Limit unserer Aufgaben. Diese möchten wir so gut wie möglich absichern. Natürlich würde ich gern mit den Kindern in all die Länder reisen, welche ich als Theatermensch schon bereist habe und dort viele tolle und interessante Menschen kennengelernt habe. Aber das wäre eine kühne Illusion. Naja, wir wollen einfach bodenständig bleiben und unsere derzeitige Arbeit mit unseren Kindern und Jugendlichen so gut machen wie möglich, sie sollen sich bei uns wohlfühlen und etwas für´s Leben mitnehmen. Wir möchten unseren DarstellerInnen weiterhin die Möglichkeit geben, sich in Workshops weiterzubilden, auf den Bühnen der Region zu gastieren, an Theaterfestivals teilzunehmen und andere Theaterbegegnungen zu erleben. Wenn sich die ein oder andere Theaterreise ins Ausland ergibt, dann möchten wir diese Möglichkeit natürlich nutzen.
Gibt es genug Nachwuchs im Theater, und wie kann man junge Menschen für diese Aufgabe oder das Theater generell begeistern?
Hier klopfe ich auf Holz, denn zur Zeit haben wir überhaupt keine Probleme mit unserem Nachwuchs. Da ich ja noch an einigen Schulen arbeite, habe ich die Möglichkeit, dort Kinder zu animieren in unserem Theaterverein mitzuwirken. Natürlich hoffe ich, dass das auch so bleibt. Aber es kommen auch Eltern auf uns zu, welche von uns gehört oder unsere Theaterproduktionen gesehen haben. Das freut uns sehr, denn daran können wir sehen, dass die Arbeit, welche wir mit den Kindern und Jugendlichen leisten, wertgeschätzt wird. Diese „neuen“ Kinder dürfen dann erst einmal vier Wochen lang schnuppern, um zu entscheiden ob das ihr Hobby werden sollte. Im Allgemeinen klappt das ganz gut, weil unsere DarstellerInnen auch gern auf die „Neuen“ zugehen und sie in die Gruppe aufnehmen.
Was rätst du jungen Menschen, die sich für die Theaterarbeit mit Kindern interessieren?
Diese Frage ist ein wunder Punkt in unserer Arbeit. Natürlich wünschen wir uns, dass unsere eigenen
SpielerInnen irgendwann vielleicht einmal eine Gruppe leiten und selbständig inszenieren. In den letzten beiden Jahren hatten wir Maxi und Jamie, welche eigene Produktionen leiteten, aber dann gehen sie nun mal zum Studium oder in die Ausbildung. Gerade in der Jugendgruppe haben wir jetzt Anna, aber auch die wird irgendwann ihr Abi in der Tasche haben und dann weggehen. Die Hoffnung bleibt, dass sie irgendwann zurückkommen um hier zu arbeiten, und vielleicht dann wieder eine Gruppe übernehmen. Da ist noch Luft nach oben und die Hoffnung stirbt zuletzt.
Was wünschst Du Dir für die Zukunft des Kindertheaters – sowohl im Hinblick auf die Kinder als auch auf Gesellschaft und Institutionen?
Auf jeden Fall wünschen wir uns, dass wir auch in den nächsten Jahren für unser Publikum qualitativ hochwertiges Kinder- & Jugendtheater anbieten können. Wobei unser Hauptaugenmerk immer die Märchen bleiben sollten. Nicht nur Märchen, welche bekannt sind, sondern auch nicht so bekannte Märchen auf die Bühne bringen, um unser Publikum einfach mal zu überraschen.
Gesellschaft ist ein wichtiges Thema. Dazu möchte ich sagen, dass wir auch da einen gewissen Auftrag haben. Um nicht politisch zu werden, versuchen wir doch unseren Kindern demokratische Werte zu vermitteln. Wir machen keine Unterschiede in Hautfarbe oder Religion, uns ist wichtig, dass jedes Kind, welches Theater spielen möchte bei uns willkommen ist und sich auf der Bühne verwirklichen kann.
Lieber Örni, vielen Dank für Deine Zeit!

Zur Person:
Michael Ö. Arnold, geboren am 18.5.1968 und uns allen bekannt als Örni, spielte schon in seiner Jugend Kabarett bei den „Klemmtasten“ im Kulturhaus „Hans Marchwitza“ in Oelsnitz (Erzgeb.).
Es folgten eine Ausbildung zum Sprecherzieher und das Studium zum Theaterpädagogen in Heidenheim und Berlin. Ab 1991 arbeitete er 15 Jahre lang als Theaterpädagoge am Theaterpädagogischen Zentrum des Erzgebirgskreises in Stollberg.
Schon seit 1994 arbeitet er an Gymnasien, Grund- und Oberschulen und hat seit 2018 die Leitung des neuen Theatervereins Spielfreu(n)de Erzgebirge. Viele hundert kleine und große Zuschauer erfreuen sich jedes Jahr an den von ihm arrangierten Stücken.
Die anstehende Theaterpremieren:


